The Benefit of the Doubt: Willful Ignorance and Altruistic Punishment

Von Robert Stüber - Go to English Version

Viele Menschen sind bereit andere Menschen zu bestrafen, wenn diese gegen soziale Normen verstoßen. Die Bereitschaft Normverstöße zu bestrafen wird als eine mögliche Erklärung für das fortwährende Bestehen sozialer Normen angesehen. Soziale Normen wiederum ermöglichen Kooperation unter Fremden und sind zentraler Bestandteil menschlicher Gesellschaften.  Die Motive warum Menschen altruistisch bestrafen sind jedoch immer noch nicht vollständig geklärt: Es ist unklar, warum Menschen altruistisch bestrafen. In einer neuen Studie untersucht BCCP Doktorand Robert Stüber, ob die menschliche Bereitschaft Normverletzungen zu bestrafen reduziert wird, wenn Menschen die Information darüber, ob eine Normverletzung stattgefunden hat willentlich und bewusst ignorieren können.

Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage hat er ein Laborexperiment durchgeführt, welches das bestehende Design zur Analyse von altruistischem Bestrafen modifiziert: Ein Teilnehmer („Diktator“ genannt) teilt einen Geldbetrag zwischen sich und einem „Empfänger“ auf. Der Diktator kann sich dabei egoistisch verhalten (und das meiste Geld für sich behalten) und somit gegen eine gewisse Verteilungsnorm verstoßen, oder sich fair verhalten (und einen Teil des Geldes an den Empfänger abgeben). Nach der Entscheidung des Diktators wird eine dritte, bisher unbeteiligte Person umgehend über die Entscheidung des Diktators informiert und entscheidet daraufhin, ob sie den Diktator bestrafen möchte. Den Diktator zu bestrafen ist für diese Person mit Kosten verbunden und reduziert das Einkommen des Diktators. Wenn die dritte Person den Diktator nicht bestraft bleibt dessen Einkommen unverändert. In der neuen Studie behält der Forscher im Experiment all diese Elemente bei, aber die dritte Person wird nicht mehr direkt über die Entscheidung des Diktators informiert, kann sich aber ohne Kosten, durch das Klicken auf einen Knopf, über die Entscheidung des Diktators informieren. Unabhängig davon ob sich der Dritte informiert, muss er entscheiden, den Diktator zu bestrafen oder nicht.

Es zeigt sich, dass ungefähr ein Drittel der Dritten die Information ob eine Normverletzung stattgefunden hat wissentlich ignorieren und sich nicht über die Entscheidung des Diktators informieren. Da diese Teilnehmer nahezu ausschließlich keine Bestrafung wählen, sinkt daraufhin der Anteil der altruistisch bestraften Normverletzungen um 50% auf nur noch ein Drittel.

Im zweiten Teil der Studie zeigt der Autor, dass diese gewollte Unwissenheit im Einklang mit den sozialen Normen hinsichtlich des altruistischen Bestrafens steht: Es wird zwar als sozial angemessen angesehen, sich über die Entscheidung des Diktatoren zu informieren, wenn sich ein Dritter nicht informiert, ist es jedoch sozial sehr unangemessen zu bestrafen. Und, es wird gleichzeitig als okay angesehen, sich nicht zu informieren und nicht zu bestrafen.

Diese Ergebnisse suggerieren, dass Menschen durch selbstgewählte Unwissenheit ein hohes Selbstbild aufrechterhalten können (da sie „nichts von der Normverletzung wissen“) und gleichzeitig das für sie kostträchtige Bestrafen vermeiden. Sie handeln im Einklang mit den bestehenden sozialen Normen in Situationen in denen sie zunächst unwissend sind. Die Studie zeigt, dass die Rolle des altruistischen Bestrafens in bestehenden Studien überschätzt wurde, da in einem realitätsnäheren Szenario, dass es Menschen erlaubt Normverletzungen zu ignorieren, diese weitaus seltener bestraft werden. Darüber hinaus suggerieren die Ergebnisse, dass die menschliche Bereitschaft Normverletzungen zu bestrafen häufig durch das Verlangen einem gewissen Selbstbild und den sozialen Normen zu entsprechen getrieben wird. 

Die Studie The Benefit of the Doubt: Willful Ignorance and Altruistic Punishment wurde vor kurzem in Experimental Economics veröffentlicht.