Jetzt die Versandapotheken verbieten? Bitte nicht!

Ein Gastbeitrag von Tomaso Duso im Handelsblatt

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat vergangene Woche die Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel aus ausländischen Versandapotheken gekippt. Diese nun gekippte Regelung schreibt vor, dass Apotheken nur fixe, vorgeschriebene Aufpreise auf die von den Herstellern festgesetzte Medikamentenpreise setzen dürfen. Daher bieten derzeit alle Apotheken in Deutschland ein Medikament zum selben Preis an, der Preiswettbewerb zwischen den Apotheken wird komplett ausgeschaltet. Können Verbraucher nach der EuGH Entscheidung auf niedrigere Medikamentenpreise hoffen? Nicht, wenn es nach der Apotheken-Lobby geht. Ihre Verbände, unterstützt von Bundesgesundheitsminister Gröhe, fordern schon ein Verbot ausländischer Versandapotheken. Bloß nicht!

Feste Preisaufschläge sollen Patienten schützen, indem sie Apothekenpreise nach oben, aber auch nach unten begrenzen. Zum einen können Apotheken den Anreiz haben, zu hohe Preise zu setzen, weil die Krankenversicherungen das Gros der Medikamentenkosten übernehmen und die Patienten selbst kein großes Eigeninteresse haben, nach preisgünstigen Arzneimitteln zu suchen. Hohe Preise lassen aber die Versicherungsbeiträge steigen, auf Kosten der Verbraucher. Am anderen Ende soll die Preisbindung sicherstellen, dass Preise nicht so stark sinken, dass Apotheken unrentabel werden und die Arzneimittelversorgung gefährdet ist. Es wird oft argumentiert, dass Apotheken ihre Dienste überall – auch etwa in ländlichen Gebieten – und zu jeder Zeit – auch in der Nacht und am Wochenende – nur leisten könnten, wenn sie eine sichere Rendite bekommen. Aber so sinnvoll eine Untergrenze oder eine Deckelung der Preise sein mögen, die starre Festsetzung von Aufschlägen ist es nicht. Innerhalb dieser Bandbreite sollte jede Apotheke ihre Preise frei gestalten können.

Eine verlässliche Arzneimittelversorgung ist unabdingbar. Die Hauptfrage ist jedoch, ob (nur) eine Preisbindung dieses Ziel ermöglicht – so die vehemente Argumentation der Apothekerverbände –, oder ob es alternative Wege gibt, dies ohne die verbraucherschädlichen Konsequenzen fehlenden Wettbewerbs zu erreichen. Nun hat der oberste Gerichtshof der EU entschieden, dass die Preisbindung kein adäquates Instrument dafür ist, und liegt damit richtig. Der Zielkonflikt um die Versorgung steht somit hierzulande abermals im Mittelpunkt der politischen Debatte. Was aber, wenn die bisherige Regulierung viel mehr der ineffizienten Überversorgung in Städten nützt als der allgemeinen Grundversorgung? Würde allen Apotheken – nicht nur ausländischen Versandapotheken – erlaubt, Rabatte zu gewähren oder Zuschläge zu verlangen, stünden nicht in erster Stelle die ländlichen Apotheken in Gefahr, die nicht im starken lokalen Wettbewerb stehen und vergleichsweise geringe Miet- und Lohnkosten haben. Bedroht wären möglicherweise städtische Apotheken in Ballungsgebieten, die eine geringere Rolle für die Versorgungssicherheit spielen.

Versandapotheken haben auch das Potential, zur flächendeckenden Arzneimittelversorgung beizutragen. Ein Verbot wäre kontraproduktiv. Hier würde technologischer, durch die Digitalisierung ermöglichter Wandel verhindert. Der Gesetzgeber sollte im Gegenteil den Mut haben, neue Instrumente zu nutzen, um die Ziele der Arzneimittelversorgung zu erreichen und den Wettbewerb zwischen den Apotheken zu fördern zugunsten der Verbraucher. Statt festgesetzter prozentualer Festpreise und Zuschläge könnte man eine Preisobergrenze für von den Apotheken frei wählbare Servicepauschalen einführen, direkt von den Patienten zu zahlen. Dies ist, neben Änderungen in den Patientenzuzahlungen, einer der Kernpunkte der von der Monopolkommission vorgeschlagenen Regulierungsreform im Apothekenmarkt. Das Urteil des EuGH bietet eine Chance, neue Wege in der Regulierung des deutschen Apothekenmarkts zu gehen, die im Dienst der Verbraucher und des Patientenwohls stehen.

Dieser Beitrag von ist am 7. 11. 2016 im Handelsblatt erschienen.