Gigabit-Netze für alle – ja, aber Prioritäten setzen: Kommentar

In der besten aller möglichen Welten wird es in Deutschland im Jahr 2022 Glasfaser für alle, überall, und keine Funklöcher mehr beim mobilen Surfen geben. Und das auch im tiefsten Schwarzwald und auf der Alm. Dies ist die Welt, die die Politik sich momentan offenbar wünscht. Und zu Recht, denn dies wäre eine tolle Welt! Nur wird sie eine Wunschvorstellung bleiben.

Die nüchterne Aussage von Kanzleramtsminister Helge Braun, der flächendeckende Ausbau sei unfassbar teuer, ist leider realistisch. Es sollte daher pragmatisch geschaut werden, was man wann tun kann, um den Ausbau von gigabit-fähigen Netzen so schnell und so weitläufig wie möglich voranzutreiben. Denn der Breitbandausbau ist zweifelsohne außerordentlich wichtig für die Zukunft des Landes.

Man muss Prioritäten setzen. Das hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) nun getan und Pläne für die Vergaberegeln der 5G-Mobilfunkfrequenzen bekanntgegeben. Damit sollen bis 2022 mindestens 98 Prozent aller Haushalte mit mindestens 100 Megabit pro Sekunde versorgt werden. Darüber hinaus sollen Autobahnen und Bundesstraßen mit echtem 5G versorgt sein. Das ist insofern wichtig, als diese die beste Technologie für das automatisierte Fahren ist.

Um der deutschen Rechtsgrundlage gerecht zu werden, wurde von einer Zugangsverpflichtung – bei der die großen Akteure verpflichtet werden, Dienstanbietern ihre Netze zur Verfügung zu stellen – abgesehen. Stattdessen sollen alle Anbieter diskriminierungsfrei über Roaming und Infrastruktursharing, also das Teilen der Netzinfrastruktur, verhandeln können, wobei die BnetzA als Schiedsrichter fungiert. Das soll Investitionen anregen. Wenn die BNetzA wirklich auf das Einhalten der Versorgungsauflage achtet, kann dieser Kompromiss funktionieren.

Laut Plan würde circa 15 Prozent der Fläche des Landes, wo zwei Prozent aller Haushalte leben, unversorgt bleiben, sprich die Funklöcher bleiben vorerst bestehen. Dieser Umstand wurde sofort kritisiert. Sicherlich ist die Nichtversorgung einiger ländlicher Gebiete beim Mobilfunk noch problematischer als bei Glasfaser. Tatsache ist aber, dass es sehr teuer ist, in diesen Gebieten zu bauen. Außerdem rechnet sich eine Duplizierung der Infrastruktur dort nicht. Daher soll dies nicht die Priorität sein.

Die BNetzA versichert, dass Frequenzen für den Ausbau in dünnbesiedelten Gebieten in einer zweiten Phase freigegeben werden. Welche Frequenzen das sind und wie sie vergeben werden, wird in den nächsten Monaten sicherlich Gegenstand von intensiven Verhandlungen sein. Es braucht ein gut designtes Vergabeverfahren. Es gibt nämlich unterschiedliche Modelle, um den Ausbau in gut definierten „weißen Flecken“ kostengünstig zu realisieren. So haben sich beispielsweise umgekehrte Subventionsauktionen oder Auktionen mit unterschiedlichen Ausbauverpflichtungen bereits in Schweden und Dänemark bewährt. Gleichzeitig sollten die Auktionen so gestaltet werden, dass sie auch Anreize für lokale Anbieter schaffen, Netzzugang zu gewähren. Denkbar wären Infrastruktursharing-Modelle mit regional aufgeteilten Investitionen und gegenseitigen Zugangsverpflichtungen. Der Staat könnte in dieser Phase das Ziel der Einnahmemaximierung zurückstellen, um Investitionsanreize zu setzen.

So weit wie möglich sollte die gigabitfähige Infrastruktur der Zukunft, sei es 5G oder Glasfaser, durch private Investoren gebaut werden. Der Staat muss versuchen, die besten Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Aber einige Zielkonflikte werden bleiben. Auch wenn es für die Politik schwer zu schlucken ist: Extrem teure, flächendeckende Investitionen – in der Höhe von Hunderten von Milliarden Euro – und extrem niedrige Preise sind sehr schwer zu vereinbaren. Auf den Mobilfunkmärkten muss das Wettbewerb erhalten bleiben. Um gleichzeitig Investitionssicherheit zu schaffen, scheint der Plan der BNetzA ein vernünftiger Kompromiss darzustellen. Mal sehen, wie (und vor allem wie schnell) er mit Leben gefüllt wird.

Dieser Beitrag ist am 3. Oktober 2018 bei Spiegel Online erschienen und auch als DIW Wochenbericht-Kommentar (pdf) erhältlich.