Fusion Microsoft und LinkedIn: Die Zusammenführung der Nutzerdaten steht bevor

Ein Gastbeitrag von Nicola Jentzsch im Tagesspiegel

Die nächste Großfusion in der IT-Welt steht vor der Tür: Microsoft hat im Juni den Kauf des Netzwerks LinkedIn angekündigt. Bei der Europäischen Kommission traf das Vorhaben zunächst auf Bedenken. Diesen kommt Microsoft jetzt mit Zugeständnissen entgegen, die sich auf bestimmte Geschäftsbereiche (Hardware und Software) beziehen. Eine eingehende Prüfung des Falles wäre aber insbesondere hinsichtlich des Datenschutzes angezeigt.

Microsoft erwirbt mit LinkedIn das mit derzeit 433 Millionen Nutzern weltweit größte Berufsnetzwerk. Dafür bietet der Konzern rund 26,2 Milliarden Dollar (24,6 Milliarden Euro). Um die Bedenken der EU-Kommission auszuräumen, hat Microsoft Presseberichten zufolge versprochen, LinkedIn künftig nicht gegenüber Konkurrenznetzwerken zu bevorzugen. Hardware-Hersteller sollen außerdem die Möglichkeit erhalten, LinkedIn oder andere Netzwerke auf Computern zu installieren. Scheinbar ausgespart bleibt der Datenschutz. Gerade hier wäre Lehren aus den Fällen Google/DoubleClick (2008) und Facebook/WhatsApp (2014) zu ziehen.

Bei Fusionen sollte eingehender als bisher geprüft werden, welche Nutzerdaten verschränkt werden sollen. Große Datenagglomerate werden dann zu einem Wettbewerbshindernis, wenn sie nicht replizierbar, nicht substituierbar sowie nicht rival sind, also kein anderes Unternehmen solche Daten hat. Empirische Analysen haben gezeigt, dass bei massiven Datenmengen Größe und Varianz der Daten eine maßgebliche Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen spielen. Sie erlauben Lerneffekte über Dienst- und Produktportfolien hinweg. Die Frage, die sich hier stellt ist, ob solche Effekte von Wettbewerbern repliziert werden können. 

In den Fällen Google/DoubleClick und Facebook/WhatsApp blieb das Thema Datenschutz unterbelichtet, weil Wettbewerbsbehörden es bislang bei Datenschutzbehörden verortet sahen. Hier ist ein Umdenken notwendig. In Deutschland sind wichtige Aspekte des digitalen Wettbewerbs zwar bereits in die Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen eingeflossen. So sollen beim Vorliegen mehrseitiger Märkte unter anderem direkte und indirekte Netzwerkeffekte, Parallelnutzung mehrerer Dienste sowie der Zugang zu Daten untersucht werden. Letzterem sollte künftig sehr viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.

In der Fusionskontrolle wird in verschiedenen Schritten geprüft, ob ein fusioniertes Unternehmen Marktdominanz erreicht und Anreize hat, beispielsweise Preise über das wettbewerbliche Niveau anzuheben. Sollten zwei Unternehmen nicht auf demselben Markt tätig sein, gelten sie aber nicht als Konkurrenten.

Im digitalen Wettbewerb geht es selten um den Kauf eines unmittelbaren Konkurrenten wie der Fall Microsoft/LinkedIn erneut zeigt. Stattdessen werden Komplementärdienste und -technologien zugekauft, mit denen sich unter anderem die Dominanz im Kerngeschäft aufrechterhalten lässt.

Sollte Microsoft bei der Fusion mit LinkedIn keine bindenden Zugeständnisse im Bereich des Datenschutzes machen, könnte der Konzern in Zukunft beispielsweise LinkedIn-Daten über Geschäftsbeziehungen von Nutzern mit dem Nutzungsverhalten von Microsoft-Diensten und Produkten zusammenführen. Die Möglichkeiten neuer zielgerichteter Werbung werden von Microsoft-CEO Satya Nadella bereits propagiert. Wie die Fälle von Google/DoubleClick und Facebook/WhatsApp gezeigt haben, steht damit die Zusammenführung der Nutzerdaten an.

Es ist an der Zeit, das Thema Datenschutz im Wettbewerb ernst zu nehmen. Google und Facebook haben in der Vergangenheit gezeigt, dass es für sie ein Leichtes ist, Datenschutzversprechen so zu verändern, dass Daten über Dienste und Produkte hinweg zusammengeführt werden. Wettbewerbsbehörden müssen in diesem Falle die Frage beantworten, welche Unternehmen hier gleichziehen können.

Dieser Beitrag von ist am 29. 11. 2016 im Tagesspiegel erschienen.