Bestechungsbekämpfung mit Montagsmodellen - wie die Spieltheorie einen Keil in die Kollusion treibt

Von Colin von Negenborn

Vielen ökonomischen Problemen liegt zugrunde, dass Informationen ungleich zwischen den beteiligten Akteuren verteilt sind. Der Gesetzgeber möchte beispielsweise eine Branche regulieren, kann aber die Absprachen von Firmen untereinander nicht überprüfen. Innerhalb einer Firma wiederum wollen Aktionäre die Arbeit des Managements kontrollieren, können aber dessen Handlungen nicht beobachten. In vielen Fällen wird dann eine Instanz hinzugezogen, welche diese Informationen einholen kann: Der Gesetzgeber schafft Aufsichtsbehörden, Anteilseigner beauftragen Wirtschaftsprüfer. Doch diese „Kontrolleure" können sich mit den zu kontrollierenden Parteien absprechen oder gar von ihnen bestochen werden - es entsteht Kollusion oder Korruption, oft zulasten der Gesellschaft. Die Weltbank schätzt, dass die Summe weltweiter Bestechungszahlungen jährlich ca. 1 Billion US-Dollar beträgt.

Methoden zu Bekämpfung solcher Kollusion werden von BCCP Doktorand Colin von Negenborn und Martin Pollrich in ihrer jüngsten Arbeit theoretisch untersucht. Dazu modellieren sie die Absprache zwischen kontrollierendem und kontrolliertem Akteur als bilateralen Handel - der Kontrolleur bietet als Leistung, dass er beispielsweise etwaige Gesetzesverstöße "übersieht" und erhält im Gegenzug als Preis eine Bestechungszahlung.

Der Handel zwischen zwei Parteien wird erschwert, wenn sie verschiedene Vorstellungen vom Wert der Handelsgüter besitzen - es entstehen sog. Friktionen. Das bekannteste Beispiel ist G. Akerlofs Studie zum Gebrauchtwagenmarkt: Käufer vermuten, dass der Verkäufer ihnen ein minderwertiges Montagsmodell (sog. "Lemon") anbietet und sind deswegen weniger zu zahlen bereit. Der Verkäufer möchte gerne ein einwandfreies Modell - zu entsprechend höherem Preis - offerieren, kann dies jedoch nicht glaubhaft vermitteln. Im Extremfall wird jeglicher Handel unmöglich, weil sich die Vertragsparteien angesichts der ungleichen Information nicht auf einen Preis einigen können.

Was auf dem Gebrauchtwagenmarkt unerwünschte Folgen hat, nutzen Pollrich und v. Negenborn im Fall von Kollusion als positiven Effekt aus: Sie generieren künstlich eine Informationsasymmetrie zwischen den kolludierenden Parteien. In der Praxis erhalten Kontrolleure oft Boni für das Aufdecken von Unstimmigkeiten im Unternehmen, während bei der absichtlichen Verschleierung (sofern diese später ans Licht kommt) rechtliche Konsequenzen oder Strafzahlungen für beide Seiten drohen. Diese Boni und Strafen werden vom Auftraggeber nun zufälligen Schwankungen unterzogen - und die beiden Seiten erhalten unterschiedlich detaillierte Informationen über die Höhe der Schwankungen. So haben sie unterschiedliche Vorstellungen vom möglichen Gewinn durch geheime Absprachen und vom damit verbundenen Risiko.

Auch hier kann im Extremfall jeglicher "Handel" zusammenbrechen, da sich beide Seiten nicht auf einen "Preis" - d.h. auf die Höhe der Bestechungszahlung - einigen können. Kollusion und Korruption werden so unterbunden. Ungleich verteilte Informationen können in der Ökonomie damit nicht nur Grundlage der Probleme sein, sonder auch der Lösungen.

Die vollständige Studie "Sweet Lemons: Mitigating Collusion in Organization" (pdf) wurde als CRC TRR 224 Discussion Paper No. 019 veröffentlicht.